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Tour Review ...

Rustys dritte Winterausfahrt

von Sigrid (Virginia)

Wenn andere Ski fahren gehen, lockt's mich jetzt mit meiner kleinen Estrella auf halbwegs schneefreie Straßen. Die Sonntagsfreizeit war kurz, da ich am Nachmittag noch eine berufliche Verpflichtung hatte, aber ich wollte die kurze Zeit zwischen auftauchen der Sonne - und Mittag nützen, um eine kleine Ausfahrt zu machen.
Seit Freitag nun mit eigener, angemeldeter Nummer ausgestattet, traute ich mich zum ersten mal im Winter über die österreichisch - liechtensteinische Grenze, um meine sommerlichen Hausstrecken auf Wintertauglichkeit zu überprüfen.
 
Die eiskalte Ernüchterung kam schon kurz nach der Grenze. Schaanwald, so heißt der kleine Grenzort, liegt im Schatten des Berges und die Durchzugsstraße bekommt so gut wie keine Sonne ab. Dadurch war es eisig kalt und mancherorts glänzte die Straße verdächtig glatt. Höchtste Vorsicht war geboten.
Ich bog kurz bei einer Tankstelle ein, dessen Besitzer auch Motorrad fährt, um mir noch die guten »Gitanes Blondes« zu holen, die es in Österreich nicht gibt. Als ich mich notdürftig aus Helm und Handschuhen schälte, um mit klammen Fingern nach der Geldtasche in der Goretex-jacke zu fischen, traf sich mein Blick mit den erstaunten Augen des Tankwarts, der mich ungläubig anstarrte. Nachdem er sich wieder gefangen hatte, meinte er: »Dachte mir schon, wer ist wohl so verrückt, bei dieser Schweinekälte Motorrad zu fahren - aber das kannst wohl nur du sein ...«
Irgendwie hatte er wohl recht, aber die Herausforderung, zu fahren, wenn allen anderen das kalte Grausen kommt, hat auch einen besonderen Reiz. Andere tummeln sich auf überfüllten Skipisten, bei auch nicht höheren Temperaturen, und geben dafür noch eine Menge Geld aus. Ich vergnüge mich auf menschenleeren Straßen, Zumindest was zweispurige Fahrzeuge betrifft. Dass das Vergnügen heute nicht ganz ungetrübt war, sollte sich erst später herausstellen.
 
Ich rollte vorsichtig von der Tankstelle weg, über ein Stück festgefrorenen, glattpolierten Schnee und tastete mich, mit beiden Beinen rudernd zur schneefreien Straße vor. Zum glück hat die Estrella eine sehr geringe Sitzhöhe und ich habe mit beiden Füßen sicheren Stand.
Die Sonne schaffte es einfach nicht, den Nebel vollständig aufzulösen und so beschloß ich, Richtung Altstätten zu fahren und dann meine Hausstrecke, den »Stoss« zu erklimmen. Dumm war nur, daß sich inzwischen an meinem Helmvisier gefrorener Atem zu Eisblumen kristallisierte und ich nur noch halbe Sicht hatte. Also Helmvisier auf und dem eisigen Wind mutig ins Auge sehen. Das bedeutete jedoch, daß meine Höchstgeschwindigkeit auf maximal 60 km/h schrumpfte, denn alles andere hätte womöglich ernste Erfrierungen im Gesicht zur Folge gehabt. Dummerweise hatte ich meine Sturmhaube zu Hause liegen lassen, und nur die wärmende Halsstulpe an, die zumindest ein auskühlen im Hals-Brust-Bereich notdürftig verhinderte. Das nächste mal - schwor ich mir - wird umgekehrt, auch wenn nur das kleinste Kleidungsstück der Winterzwiebelschichten fehlt.
Aber nun war es zu spät. Ich wechstelte, so gut es ging, zwischen trüber Visier - heruntergeklappt - Sicht und tränentreibender eiskalter Visier - hochgeklappt - Sicht.
Im Sommer oder Herbst, wenn angenehme Plustemperaturen herrschen, mag man über solche »Motorradprobleme« hellauf lachen. Aber mir war inzwischen nicht mehr zum lachen zumute. Eher zum weinen. Vor Kälte, die mir schmerzhaft in Gesicht, Hände und Zehen biss und die auch vor Ski - Unterwäsche bewehrten Beinen und Armen nicht halt machte ...
 
Innerlich begann ich meinen Entschluss, bei dieser Hundekälte Motorrad zu fahren, zu verfluchen. Andere saßen jetzt gemütlich Zuhause, oder vergnügten sich auf der sonnigen Skipiste (welch ein Hohn ...) und ich gurkte mit Schneckengeschwindigkeit im immer dichter werdenden Nebel herum. Als mir dann auf der Hauptstraße durch das kleine Ortchen Oberried hindurch nur noch ein dünner Fahrbahnstreifen ohne salzigen Schneemus übrigblieb, beschloß ich, dem Drama ein Ende zu bereiten, und umzukehren. Gesagt getan... oder besser gesagt, nicht getan, denn ich versuchte verzweifelt einen geeigneten Platz zum wenden zu finden. Was im Sommer überhaupt keinen Gedanken wert ist, wird im Winter zur Überlebensfrage. Schaff ich es, ohne mich auf die Schnauze zu hauen, auf einer Eisplatte zu wenden, oder soll ich lieber auf den nicht-gekehrten Gehsteig ausweichen. Ich suchte das Heil in einer etwas besser geräumten, links abzweigenden Seitenstraße und brauchte dann noch einmal eine Seitenstraße um vollständig die andere Richtung einzuschlagen.
 
Das alles klingt jetzt vielleicht verrückt oder übertrieben, aber hat schon mal jemand von euch versucht, 165 kg Metall, Gummi und Plastik sowie Sprit auf einer Festgefrorenen Eisplatte zu wenden? Nein, na dann, aufhören zu lachen!
Ja: O.k. wenn ihr's geschafft habt, Gratulation, wenn nicht - habt ihr mein vollstes Verständnis! Ich gehöre von Natur aus eher zu dem vorsichtigen, wenn nicht sogar ängstlichen Typus Mensch, darum hab ich's erst gar nicht versucht und bin lieber ein paar hundert Meter weiter gefahren, um gefahrlos wenden zu können. Na gut, man kommt auch auf Umwegen ans Ziel - und mein Ziel war, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen und meine steifgefrorenen Finger und Zehen wieder aufzutauen. In Gedanken malte ich mir schon die bevorstehenden Schmerzen aus, die mich an meine frühe Teenagerzeit erinnern würden, wo ich winters auch alles in Kauf nahm (inklusive halb abgefrohrener Zehen) um beim samstagabentlichen Eislaufen die männliche Jungenschaft treffen zu können. Diese Zeiten sind gottseidank vorbei und ich bin überzeugt, weder mir noch den anderen durch stoisches aushalten was beweisen zu müssen, also strebte ich zügig der heimatlichen Tiefgarage zu.
 
Der Beamte an der Grenze kam erst gar nicht aus seinem Häuschen heraus, schaute nur leicht herablassend und mitleidig, so nach dem Motto »Es gibt heutzutage anscheinend immer mehr Menschen, die sich kein Auto mehr leisten können ...« und so konnte ich unbehelligt weiter fahren.
Näher Richtung Feldkirch kommend brach wieder die Sonne durch den Nebel. Diesmal stärker, intensiver, ein Gedanke von Wärme und sonnenbestrahlten Berghängen durchzuckte mein Gehirn - aber, nein, die warme, zentralgeheizte Wohnung erschien mir jetzt als das höchste Glück auf Erden. Ich konnte jetzt sogar so etwas ähnliches wie Sympathie für all die heizgriffbewehrten Bmw-Fahrer aufbringen. Obwohl sich wahrscheinlich kaum einer von denen bei tatsächlichen Minustemperaturen, wie sie jetzt herrschen, auf die Straße wagen würde.
Vor der heimischen Tiefgarage angelangt, stellte ich die Maschine mit laufendem Motor ab, angelte mit dem letzten mir verbliebenem bewegungsfähigen Finger den Garagenschlüssel aus der Tasche während ich innerlich »Knocking on heavens door« vor mich hin summte.
 
Drei Erkenntnisse hatte ich von der Ausfahrt mitgenommen:
1. Gehe nie mit dem Motorrad im Winter Zigaretten holen (auch wenn die Sucht noch so groß ist), wenn der Kiosk auf der Schattenseite des Berges liegt.
2. Minus 10 Grad im Nebel sind kälter als minus 10 Grad in der Sonne.
3. Wenn du nicht auf einer Eisplatte wenden willst, bist du kein Feigling, sondern vernünftig - nur Skifahrer fahren über gefrorenen Schnee, die haben aber auch Stahlkanten unter den Füßen ...
 
Gruß Virginia

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